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CDU/FDP-Koalitionsvertrag will Erleichterungen für den Kiesabbau in Wasserschutzzonen

Naturraubbau am Niederrhein durch die Kiesindustrie

von Ute Sickel­mann, Mitglied der Frak­ti­on Bünd­nis 90/Die Grünen im Regio­nal­rat Düsseldorf

Die Dürre­pe­ri­oden der letz­ten Sommer machen deut­lich: Wasser könn­te eines Tages auch in Deutsch­land so wert­voll wie nie werden.

Noch ist das Wasser bei uns ganz selbst­ver­ständ­lich tägli­cher Komfort- und Wohl­fühl­fak­tor für den Menschen sowie ein vergleichs­wei­se preis­wer­ter Stand­ort­fak­tor für die Land­wirt­schaft und für die verar­bei­ten­de Wirt­schaft. Doch das könn­te sich mit fort­schrei­ten­dem Klima­wan­del in Zukunft ändern.

Dies wird zuneh­mend ein Grund für den sorg­fäl­ti­gen Umgang mit dem Wasser­schatz NRW. Das Land verfügt auch im euro­päi­schen Maßstab über bedeu­ten­de Grund­was­ser­re­ser­ven. Die Nieder­rhei­ni­sche Bucht zählt laut Bundes­an­stalt für Geowis­sen­schaf­ten und Rohstof­fe zu den wert­vol­len Poren­grund­was­ser­lei­tern. Sie bieten hervor­ra­gen­de Spei­cher­ei­gen­schaf­ten für das Grund­was­ser, das hier an mehr als tausend Meter mäch­ti­gem Locker­ge­stein, Kiese und Sande gebun­den ist.

Die Nieder­rhei­ni­sche Bucht ist Trink­was­ser­re­ser­voir für 5,2 Millio­nen Menschen. Grund­was­ser stellt in Deutsch­land die wich­tigs­te Ressour­ce zur Gewin­nung von Trink­was­ser dar.

Enorme Eingriffe in das Grundwasser

Der Steinkohle/Braunkohleabbau und der massi­ve Kies­ab­bau haben die Grund­was­ser­qua­li­tät bereits unwie­der­bring­lich verändert.

Im Drei­eck der Städ­te Aachen – Köln – Mönchen­glad­bach greift der Braun­koh­le­ab­bau groß­flä­chig und weit­räu­mig in das Grund­was­ser­ge­sche­hen ein.

Am Nieder­rhein wird massiv Kies abgebaut. 

Während bei den berg­bau­li­chen Tätig­kei­ten die Zerstö­rung der Grund­was­ser­lei­ter und die enor­men volks­wirt­schaft­li­chen Schä­den in der Öffent­lich­keit thema­ti­siert werden, wird die Diskus­si­on beim Kies­ab­bau perfi­der geführt.

Beider­seits des Rheins, entlang der wasser­wirt­schaft­lich bedeu­tends­ten Nieder­ter­ras­se, hat jahr­zehn­te­lang der Kies- und Sand­ab­bau statt­ge­fun­den. Bis in die Mitte der 1980er Jahre wurden viele der entstan­de­nen Bagger­seen mit Abraum, aber auch mit Indus­trie­schläm­men verfüllt. Der frühe­re Kommu­nal­ver­band Ruhr stuf­te etli­che dieser Rhein­vor­land­flä­chen als altlas­ten­ver­däch­tig ein.

Der Rhein als kosten­güns­ti­ger Trans­port­weg ermög­lich­te hohe Export­ra­ten von Kies und Sand in die Nieder­lan­de und Bene­lux­staa­ten. Das hat zu enor­men Flächen­an­sprü­chen vor allem am unte­ren Nieder­rhein geführt. Im Regie­rungs­be­zirk Düssel­dorf erge­ben ehema­li­ge und akti­ve Kies­ab­bau­flä­chen eine Größen­ord­nung von etwa 150 km².

Die Flächen in der Rhein­aue sind bis auf weni­ge Räume im Kreis Wesel/Kleve abge­gra­ben. Weite­re Abgra­bungs­flä­chen sind mit hohem ökolo­gi­schen und raum­pla­ne­ri­schen Konflikt­po­ten­zi­al verbun­den. Die Kies­in­dus­trie hat zur 51. Ände­rung des Gebiets­ent­wick­lungs­pla­nes GEP99 (heuti­ge Bezeich­nung Regio­nal­plan) weite­re Inter­es­sens­ge­bie­te entlang des Rheins ange­mel­det. Inter­es­sens­ge­bie­te (Über­sichts­kar­te zur 51. Ände­rung des GEP99 Düssel­dorf) 

Seit mehr als 15 Jahren will die Kies­in­dus­trie neue Such­räu­me auch in den Wasser­schutz­zo­nen III/B und in den Wasser­re­ser­ve­ge­bie­ten durch­set­zen. Auf diesen für die Gemein­den und Land­wir­te „nutz­lo­sen“ Flächen (weil mit Restrik­tio­nen belegt) konzen­trie­ren sich nach dem Wech­sel zu der schwarz-gelben Landes­re­gie­rung die Begehr­lich­kei­ten der Kies­in­dus­trie erneut.

CDU/FDP-Koalitionsvertrag will Erleichterungen für den Kiesabbau in Wasserschutzzonen

Bisher galt die wasser­wirt­schaft­li­che Sicht­wei­se, keine Kies­ab­gra­bung in der Wasser­schutz­zo­ne III/B zuzu­las­sen, da sich ein Gefähr­dungs­po­ten­zi­al für die Trink­was­ser­ver­sor­gung grund­sätz­lich nicht ausschlie­ßen lässt.

Nun berei­tet die schwarz-gelbe Landes­re­gie­rung Rege­lun­gen für Eingrif­fe in die Wasser­schutz­zo­ne III/B vor.

Sie will das Landes­was­ser­ge­setz ändern!

Im Koali­ti­ons­ver­trag heißt es auf Seite 81: “Wir wollen Erschwe­run­gen für den Rohstoff­ab­bau im Wasser­be­reich wieder zurück­neh­men. Wir werden daher die Einzel­fall­prü­fung für Rohstoff­ge­win­nung in Schutz­zo­ne III wieder zulassen”.

Die Kies­in­dus­trie kann jubeln. Denn das hat sie seit Jahr­zehn­ten durch inten­si­ve Lobby­ar­beit voran­ge­trie­ben. Ihr geht es im Wesent­li­chen darum, die lukra­ti­ven rhein­na­hen Flächen, die z.T. als Wasser­re­ser­ve- und Wasser­ein­zugs­ge­biet ausge­wie­sen sind, weit­ge­hend für den Export abzugraben.

Unschädlichkeit einer Abgrabung im Wasserschutzgebiet nicht bewiesen

Immer wieder und wieder zitiert die Kies­in­dus­trie die soge­nann­te KABA-Studie 2001 (Konflikt­ar­me Bagger­seen). Diese Studie ist in Baden-Würt­tem­berg unter Feder­füh­rung der Landes­an­stalt für Geolo­gie, Rohstof­fe und Berg­bau zusam­men mit der Kies­in­dus­trie durch­ge­führt worden.

Hier wird behaup­tet, dass Nass­ab­gra­bun­gen keine gene­rel­le Gefähr­dung für den Grund­was­ser­schutz darstel­len. Doch diese Studie gilt in Fach­krei­sen als höchst umstrit­ten und angreifbar.

Eine Unter­su­chung eini­ger ausge­wähl­ter Bagger­seen mit nur weni­gen Unter­su­chungs­pa­ra­me­tern kann die Unschäd­lich­keit des Eingrif­fes für das Grund­was­ser nicht bewei­sen. Dennoch will die Kies­in­dus­trie die KABA-Ergeb­nis­se bundes­weit auf verschie­de­ne Gebie­te über­tra­gen, ohne Rück­sicht auf unter­schied­lichs­te hydro­geo­lo­gi­sche Gege­ben­hei­ten. Mitt­ler­wei­le hat “KABA” auch in den Minis­te­ri­en des Landes NRW Einzug gehalten.

Dort fordert man ein „Über­den­ken pauscha­ler Flächen­ta­bui­sie­run­gen“ und ein flexi­ble­res Vorge­hen an der “Schnitt­stel­le von Rohstoff­ge­win­nung, Wasser­schutz­zo­nen und Land­schafts­schutz­ge­bie­ten, das jeden­falls die chan­cen­rei­che Einzel­fall­prü­fung nicht ausschließt“.

Die dazu erforderlichen hydrogeologischen Gutachten bezahlt die Kiesindustrie

Wie die „chan­cen­rei­che“ Einzel­fall­prü­fung für die Wasser­schutz­zo­nen ausge­hen wird, ist vorher­seh­bar. Es kann bezwei­felt werden, dass die geneh­mi­gungs­pflich­ti­gen Krei­se und kreis­frei­en Städ­te perso­nell und finan­zi­ell in der Lage sind, ein hoch fach­spe­zi­fi­sches Gutach­ten zu prüfen, geschwei­ge zu widerlegen.

Die Gefahren einer Abgrabung für das Grundwasser

Die Kosten für das Trink­was­ser betra­gen in Deutsch­land weni­ge Cent pro Tag. Zu verdan­ken haben wir das ange­neh­me Preis­ni­veau unse­res Trink­was­sers zunächst den kosten­lo­sen „Boden­fil­tern“. Die Rein­heit des Grund­was­sers kommt aus den schüt­zen­den Sand- und Kies­schich­ten. Der unter­ir­di­sche Grund­was­ser­raum ist ein hoch spezia­li­sier­ter Lebens­raum. Die Reini­gungs­leis­tung über­neh­men zahl­rei­che Mikro­or­ga­nis­men (Bakte­ri­en, Pilze) im beleb­ten Ober­bo­den. Darüber hinaus ist der Grund­was­ser­raum mit winzi­gen Grund­was­ser­tie­ren besie­delt. Die Lebens­be­din­gun­gen des unter­ir­di­schen Lebens­rau­mes sind Dunkel­heit, konstan­te Tempe­ra­tur, Nähr­stoff­ar­mut, an die sich eine hoch spezia­li­sier­te Arten­viel­falt ange­passt hat.

Der kostenlose Biofilter der Natur wird weggebaggert

Eine wich­ti­ge Funk­ti­on dieser Grund­was­ser­or­ga­nis­men ist es, die Poren­räu­me des Grund­was­ser­lei­ters frei­zu­hal­ten, indem sie den Eintrag orga­ni­schen Mate­ri­als in den Unter­grund zerset­zen. Ohne diese Funk­ti­on würde der durch­läs­si­ge Grund­was­ser­lei­ter verstop­fen. Auch wenn es bis jetzt nur weni­ge Forschungs­ar­bei­ten auf diesem Gebiet gibt, kann davon ausge­gan­gen werden, dass massi­ve Eingrif­fe und Stoff­ein­trä­ge in den Grund­was­ser­raum Funk­ti­on und Lebens­be­din­gun­gen die Grund­was­ser­fau­na verän­dern und zerstö­ren können. Bei einer Abgra­bung geht die schüt­zen­de Deck­schicht komplett verlo­ren. Übrig bleibt ein Grund­was­ser­see, der im Austausch mit dem Grund­was­ser­lei­ter bleibt, wodurch Stoff­ein­trä­ge durch­si­ckern könn­ten und das Tempe­ra­tur­ge­fäl­le verän­dert wird. Wie sich die “offe­ne Wunde” in der Grund­was­ser­fau­na auswirkt wissen wir noch nicht. Vali­de ökolo­gi­sche Mess­in­di­ka­to­ren sind noch nicht auf dem Markt. Allei­ne mit chemi­schen Para­me­tern ist die Verän­de­rung im Grund­was­ser nicht ausrei­chend nachweisbar.

Den vorsorgenden Grundwasserschutz erhalten!

Der bisher konse­quent ange­wand­te vorsor­gen­de Grund­was­ser­schutz für die Einzugs­be­rei­che der Trink­was­ser­ver­sor­gung hat das hohe Niveau der Trink­was­ser­qua­li­tät in Deutsch­land sicher­ge­stellt. Im Grund­was­ser wirken sich Schad­stoff­ein­trä­ge oft erst mit langer Verzö­ge­rung aus. Verschmut­zun­gen können teil­wei­se auch noch über mehre­re Gene­ra­tio­nen die Grund­was­ser­qua­li­tät gefähr­den. Deshalb müssen die Trink­was­ser­schutz­zo­nen und die Wasser­re­ser­ve­ge­bie­te vor schäd­li­chen Eingrif­fen wie sie u.a. eine Abgra­bung bedeu­ten würde, geschützt werden.

Die Poli­tik muss dafür Sorge tragen, dass die begrenz­ten Wasser­re­ser­ve­ge­bie­te vor schäd­li­chen Nutzun­gen bewahrt werden.

Das hat für die Gene­ra­tio­nen “Greta” eine elemen­ta­re Bedeutung.

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