Das anhaltende Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen und die ökologische Entwertung der Freiflächen gehören auch 2022 zu den nicht bewältigten Herausforderungen einer nachhaltigen Regionalentwicklung.
Die grüne Regionalratsfraktion wünscht sich daher von der Düsseldorfer Bezirksregierung, dass sie Wege ebnet, um im Regionalplan Freiflächen ökologisch aufzuwerten, bis 2050 eine funktionierende Netto-Null-Flächenkreislaufwirtschaft zu etablieren und Klimaanpassungsstrategien raumplanerisch umzusetzen.
Dazu könnten die hauptberuflichen Regionalplaner*innen entsprechende Leitfragen zum Fachbeitrag Klima für den Planungsbezirk Düsseldorf formulieren. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz erarbeitet derzeit diesen Beitrag. Seine Veröffentlichung ist für das zweite Halbjahr 2022 angekündigt.
Die Regionalplanungsbehörde lehnt jedoch eine eigene Einschätzung zum raumplanerischen Handlungsbedarf für Klimaschutz und Klimafolgenanpassung ab.
Sie wartet stattdessen auf entsprechende gesetzliche Vorgaben des Bundes und des Landes. Den angekündigten Fachbeitrag Klima wollen die Regionalplaner*innen auswerten und dem Regionalrat zur weiteren Beratung zur Verfügung stellen. Sie wollen ihn bei der Abwägung geplanter oder bereits auf den Weg gebrachter Regionalplanungsänderungen „prüfend berücksichtigen“. Dies machte sie im März 2021 in ihrer Antwort (1) auf eine entsprechende Anfrage (2) der grünen Fraktion deutlich.
Fraktionsvorsitzender Manfred Krause hält dies für wenig ambitioniert:
„Raumplanung arbeitet langfristig. Sie muss jetzt die Kommunen dabei unterstützen, in ihren Flächennutzungsplänen Energie- und Ernährungssouveränität zu sichern, die Erderhitzung zu mindern und deren Folgen für die Menschen erträglich zu gestalten. Der ökologische Zeit- und Handlungsdruck ist immens. Die Raumordnung muss jetzt Beiträge zur Förderung der Artenvielfalt leisten und den regionalen Unternehmen beim Umstieg auf eine CO2 – neutrale Kreislaufwirtschaft behilflich sein.“
Die Regionalplanung legt – angepasst an übergeordnete Raumordnungspläne – über kommunale Grenzen und hinweg die Möglichkeiten und Erfordernisse einer zukünftigen Entwicklung fest. Der Regionalplan Düsseldorf trat am 13. April 2018 in Kraft, ohne dass ihm ein Fachbeitrag Klima zugrunde lag. Der Regionalplan verspricht daher lediglich Sicherheit für Verkehrsflüsse, für Rohstoffgewinnung und Arbeitsplätze, für eine bedarfsgerechte Anpassung der Wohnbau- und Gewerbeflächen. Fixiert wird dies in verbindlichen Zieldefinitionen zur kommunalen Baulandentwicklung oder zur Sicherung und Erweiterung emittierender Gewerbe- und Industriebetriebe.
Die bisherigen Änderungen des Regionalplans 2020/2021 haben weit über 1.000 Hektar Freifläche in noch mehr Wohnbau- und Gewerbeflächen umgewandelt und damit das ökologische Problem verschärft.
Wir Grüne haben daher weder dem Regionalplan noch den großen Änderungsverfahren für zusätzliches Wachstum von Wohn- und Gewerbeflächen zugestimmt. Denn wir vermissen immer noch verbindliche Ziele für eine ökologisch orientierte Landwirtschaft, für Waldvermehrung, für Wasserschutz, für Klimaschutz, für Klimaanpassung, für Freiraumschutz und ‑entwicklung, für den Ausbau erneuerbarer Energien oder zur Stärkung des regionalen Naturschutzes.
Das ökologische Defizit im Düsseldorfer Regionalplan hat einiges mit den politischen Mehrheitsverhältnissen im Regionalrat und dem NRW-Regierungswechsel vom Mai 2017 zu tun. Die schwarz-gelbe Koalition wollte vor allem „Wirtschaft entfesseln“ und damit den selbst ausgerufenen europäischen Standortwettbewerb gewinnen. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Regionalplans waren bereits entsprechende Änderungen der Landesplanung angekündigt. Das von manchen als globale Zeitenwende deklarierte Jahr 2015 spielte wenige Monate danach keine Rolle mehr. Es war ein von Terroranschlägen geprägtes Jahr, in dem die Weltgemeinschaft die Pariser Klimabeschlüsse und Weltnachhaltigkeitsziele verabschiedete, Papst Franziskus mit seiner kapitalismuskritischen Umweltenzyklika der weltweiten Armut und Umweltzerstörung den Kampf ansagte, der Schutz syrischer Kriegsflüchtlinge für eine europäisches Umdenken sorgte, der Abgasskandal das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft erschütterte…
Auch aus dem noch heute als „regionalplanerisches Abwägungsmaterial“ genutzten „Fachbeitrag Wirtschaft“ spricht mehr ein Zeitgeist des Standortwettbewerbs als der einer Sicherheit in globaler Verantwortung.
Es ging nicht um Armutsbekämpfung, um planetare Grenzen oder einen „Frieden mit der Natur“, sondern eher darum, eine „nachhaltige“ Wirtschaftsentwicklung zu ermöglichen und dabei die „Restriktionen“ der Naturgesetze und den menschlichen Eigensinn „wegzuwägen“ und auszugleichen. Erneuerbare Energien galten noch als Sicherheitsrisiko. Sie wurden erst mit der Zeitenwende 2022 zu „Freiheitsenergien.“
Der Fachbeitrag Wirtschaft (3) fordert von der Regionalplanung, die Abgrabungsrechte für standortgebundene Kalk- und Kiesvorkommen für 50 Jahre festzuschreiben, um die Rohstoffe auch außerhalb Nordrhein-Westfalens vermarkten zu können.
Welche Rolle spielen EU-Konzepte zum Flächenrecycling und zur Kreislaufwirtschaft für die regionale Wirtschaft? Darauf gibt der Fachbeitrag keine Antwort. Dennoch bildet er die Grundlage für das regionale Gewerbekonzept und die damit verbundenen aktuellen Regionalplanänderungen.
Logistik sei als „Grundraster der Globalisierung“ eine „Schlüsselbranche für die hiesigen Unternehmen“. Der Regierungsbezirk Düsseldorf sei die wachsende „Transitregion Nr. 1“ in Deutschland. Die Regionalplanung müsse sich daher für den bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrswege auf eine Verkehrszunahme um 129 Prozent bis 2025 einstellen. (3)
Was bedeuten Lieferkettensicherheit oder der Wandel von der Shareholder – zur Stakeholder-Ökonomie für die regionale Wirtschaft?
Wie wirken sich Dekarbonisierung und die neuen ESG-Berichtspflichten auf die Raumkonzepte der regionalen Unternehmen aus?
Um „den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zum Schutz des Klimas nachhaltig und systematisch zu senken“, blieben – so der Fachbeitrag Wirtschaft – konventionelle Kraftwerke auf absehbare Zeit unverzichtbar. Daher seien die vorhandenen Kraftwerksstandorte und der Braunkohletagebau regionalplanerisch abzusichern. Weitere Standorte für Kraftwerke von überörtlicher Bedeutung seien „bedarfsgerecht“ auszuweisen, um die „Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Planungsregion und damit den Wohlstand in der Region zu stärken.“ (3)
Derartige Ratschläge hält Regionalratsmitglied Manfred Böttcher eher für einen Wohlstandskiller:
„Mehr fossile Energieversorgung und noch mehr Gewerbeflächen auf den besten Ackerböden der Welt sind das Gegenteil von zukunftsfester Wirtschaftsförderung. Zur raumplanerischen Abwägung brauchen wir einen aktuellen Fachbeitrag Wirtschaft, der uns zeigt, wie die regionalen Unternehmen mit den aktuellen Herausforderungen des Klimawandels, des Artensterbens, der Energie- und Ernährungssicherheit oder der geopolitischen Rohstoffsouveränität umgehen möchten. Die vorliegenden IHK-Stellungnahmen haben ihre regionale Steuerungswirkung längst verloren.“
Die Bezirksregierung Düsseldorf teilte den Grünen im März 2022 mit, dass sie keinen aktualisierten Fachbeitrag Wirtschaft einfordern möchte, weil dafür keine gesetzliche Pflicht bestehe.
Schließlich sei der Regionalplan Düsseldorf „vergleichsweise jung, so dass Aspekte des Klimaschutzes aufgrund des Bedeutungsgewinns des Themas bereits Eingang gefunden hatten – z.B. bei der Begründung für die erstmalige Aufnahme von Windenergiebereichen oder zur Begründung der Festlegung von Regionalen Grünzügen insbesondere in den Verdichtungsräumen.“ (1)
„Das ist viel zu dürftig“, meint die grüne Regionalratsfraktion. Sie ist jetzt auf der Suche nach externer Unterstützung für eine realistische Düsseldorfer Raumordnungspolitik, die Naturgesetze ernst nimmt, dem sozialen Zusammenhalt dient und dem Anspruch einer Langzeitverantwortung für die nächsten Generationen gerecht wird.
Verweise
- Bezirksregierung Düsseldorf – Dezernat 32. Umgang mit dem Fachbeitrag Klima – Sitzungsvorlage 12/2022 vom 4. März 2022. [Online]
https://www.regionalrat-duesseldorf.nrw.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZa0EeFbWSIUDugRIOWyIU01Km_T5sWl7PLp3X5fRvP27/Sitzungsvorlage_12-2022_1._Nachtrag.pdf - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Regionalrat Düsseldorf. Umgang mit dem Fachbeitrag Klima – Anfrage vom 23. Februar 2022. [Online]
https://www.regionalrat-duesseldorf.nrw.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZXHi748G_aM5w9yaXo4F9Q6GKWRtRQOB0wNMESVKDv84/Anfrage_der_Fraktion_90-Die_Gruenen_vom_23.02.2022.pdf - IHK Düsseldorf u.a. Fachbeitrag der Wirtschaft zum Regionalplan im Regierungsbezirk Düsseldorf. August 2011. [Online] https://www.brd.nrw.de/system/files/migrated_documents/media/document/2013 – 02/rr2013_51pa_top2_broschuere.pdf
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