Regierungsbezirk Düsseldorf: Ist unser Wasser in den richtigen Händen?

“Entfesselung” statt Sorgfaltspflicht

Umwelt­schutz wird vor Gericht gemacht. Dieser Eindruck verfes­tig­te sich mit den jüngs­ten Urtei­len zur Klima­po­li­tik oder zur Luft­rein­hal­tung. Offen­bar hat das viel kriti­sier­te umwelt­po­li­ti­sche Voll­zugs­de­fi­zit eine Entwick­lung ausge­löst, die zwangs­läu­fig erscheint. Wenn Poli­tik Entfes­se­lung statt Sorg­falts­pflicht predigt, Frei­heit mit Rück­sichts­lo­sig­keit verwech­selt, das Verur­sa­cher­prin­zip aus den Augen verliert und den Umwelt- und Natur­schutz für verhan­del­bar erklärt, ist es im Rechts­staat folge­rich­tig, dass sich Gerich­te mit den offen­kun­di­gen Geset­zes­ver­stö­ßen beschäf­ti­gen. Umwelt­recht ist Menschen­recht. Das wird in den kommen­den Jahren auch bei der „Wasser­fra­ge“ deut­lich werden.

Seit vier Jahr­zehn­ten wird über zu viel Nitrat im Grund­was­ser und über die fata­len Folgen einer auf inten­si­ve Land­wirt­schaft ausge­rich­te­ten Agrar­po­li­tik disku­tiert, seit mindes­tens zwei Jahr­zehn­ten geht es um die mangeln­de Umset­zung des euro­päi­schen Gewäs­ser­rechts. Auch im Entwurf zum drit­ten Bewirt­schaf­tungs­plan der Euro­päi­schen Wasser­rah­men­richt­li­nie (WRRL) nimmt die NRW-Landes­re­gie­rung das Verfeh­len euro­päi­scher Vorga­ben im Jahre 2027 in Kauf. Der ange­streb­te gute Zustand von Grund- und Ober­flä­chen­was­ser wird dank unzu­rei­chen­der Maßnah­men fast flächen­de­ckend verfehlt.

Ausssitzen statt Handeln

Ursprüng­lich hatte die WRRL die Herstel­lung des guten ökolo­gi­schen und chemi­schen Zustands aller Gewäs­ser bis 2015 zum Ziel. Damit ist gemeint, dass mensch­lich verur­sach­te Belas­tun­gen möglichst gerin­ge Abwei­chun­gen des natür­li­chen Gewäs­ser­zu­stands verur­sa­chen. Doch die Ziele der WRRL sind bis heute in den entschei­den­den Poli­tik- und Verwal­tungs­be­rei­chen wie Land- und Forst­wirt­schaft, Raum‑, Verkehrs- oder Bauleit­pla­nung nicht wirk­lich ange­kom­men. Statt­des­sen müssen die Wasser­wer­ke das Grund­was­ser teuer und aufwen­dig aufbe­rei­ten, damit es uns als Trink­was­ser zur Verfü­gung stehen kann. Hand­lungs­be­darf besteht auch bei Verun­rei­ni­gun­gen der Gewäs­ser mit so genann­ten Pflan­zen­schutz­mit­teln, mit Medi­ka­men­ten­res­ten, Mikro­plas­tik und ande­ren als Spur­stof­fe verharm­los­te Gesund­heits­gif­te für Menschen, Tiere und Pflanzen. 

Der BUND wirft der Landes­re­gie­rung ein „Versa­gen beim Schutz unse­rer natür­li­chen Lebens­adern vor“. NRW versto­ße bewusst gegen gelten­des EU-Recht, weil es in der drit­ten Bewirt­schaf­tungs­run­de zur Wasser­rah­men­richt­li­nie für viele Seen und Flüs­se die Ziel­er­rei­chung den derzei­ti­gen Kindern und Enkeln über­las­sen möch­te. Der in NRW verfolg­te Ansatz der Frei­wil­lig­keit trage zur weite­ren Verschlep­pung des Gewäs­ser­schut­zes bei, kriti­siert der BUND.

Eine ausführliche Analyse der Naturschutzverbände:

Am 22. Juni 2021 haben die NRW Natur­schutz­ver­bän­de eine 220-seiti­ge Stel­lung­nah­me zum Entwurf des nord­rhein-west­fä­li­schen WRRL-Bewirt­schaf­tungs­plan und Maßnah­men­pro­gramm 2022 – 2027 veröf­fent­licht. Darin wird deut­lich, dass es nicht reicht, wenn nur die Maßnah­men umge­setzt werden, bei denen sich der gerings­te Wider­stand aufbaut. Zu wenig Perso­nal, zu wenig Geld und zu wenig verfüg­ba­re Flächen hemmen in NRW die Umset­zung des rechts­kräf­ti­gen Wasserrechts. 

Vollzugsdefizite werden hingenommen

Auch die Düssel­dor­fer Bezirks­re­gie­rung setzt auch beim Gewäs­ser­schutz weni­ger auf Vorsor­ge als auf Gerichts­ver­fah­ren. Mit dem Gewäs­ser­schutz wird es in dieser Regi­on wohl ähnlich gehen. Anstatt den Menschen im Regie­rungs­be­zirk mit allen Mitteln ihr Menschen­recht auf saube­re Atem­luft und reines Wasser zu ermög­li­chen, setzt Rader­ma­cher weiter­hin auf gericht­li­che Verglei­che – so ihre Ausfüh­run­gen in der Sitzung des Regio­nal­ra­tes am 21.06.21.

Erst Gerichtsurteile zwingen zum Handeln

Prof Dr. Max-Jürgen Seibert, der mitt­ler­wei­le pensio­nier­te Vorsit­zen­de des OVG Müns­ter habe sich – so Rader­ma­cher – bereit erklärt, auch das Düssel­dor­fer Verfah­ren zwischen DUH und Landes­re­gie­rung zu mode­rie­ren. Das sei „ausge­spro­chen gut“ gewe­sen, weil Seibert eine „unglaub­lich ruhi­ge und souve­rä­ne Art“ habe und „tief im Thema steck­te“. Rader­ma­cher sei sehr froh gewe­sen, dass sich nicht ein neuer Senat mit der Düssel­dor­fer Luft­rein­hal­tung beschäf­ti­gen muss­te. Jetzt sei auch der Düssel­dor­fer Luft­rein­hal­te­plan vergli­chen. „Wir haben jetzt die Aufga­be, das was im Vergleich steht, in den Luft­rein­hal­te­plan zu schrei­ben, der gegen Ende des Jahres dann veröf­fent­licht und ausge­legt wird.“

“Spielfeld” beackern statt Gewässer schützen

Auch beim „Wasser“ sieht Rader­ma­cher offen­bar keinen Grund, von ihrer „Vergleichs­stra­te­gie“ zur Verschlep­pung des euro­päi­schen Vorsor­ge­prin­zips im Regie­rungs­be­zirk Düssel­dorf abzu­wei­chen. Mit dem Düssel­dor­fer Vergleich habe sich zwar das letz­te Klage­ver­fah­ren der DUH gegen die Luft­rein­hal­te­plä­ne erle­digt, doch Rader­ma­cher berei­tet sich auf die nächs­ten DUH-Klagen vor: „Ich darf Ihnen aber hier schon sagen, es wird sich ein neues Feld auftun. Das betrifft die Euro­päi­sche Wasser­rah­men­richt­li­nie. Da müssen wir dann mal schau­en, wie wir das neue Spiel­feld mit der DUH gemein­sam beackern.“

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